50% Herz 100% Leidenschaft – Kenth Joite im Gespräch

Kenth Joite steht seit fast 20 Jahren als Schiedsrichter auf dem Platz und pfeift in dieser Saison in der Deutschen Amputierten-Fußball Bundesliga. Er selbst hat nur ein halbes Herz. Seine Leidenschaft zum Schiedsrichterwesen ist trotz Diskriminierung und erschwerten Aufstiegschancen ungebrochen. Im Gespräch berichtet er unter anderem von seinem Herzfehler und seinem schlimmsten Moment als Schiedsrichter.

„Der aller schönste Moment war eigentlich der, dass ich bei einem Benefizturnier für herzkranke Kinder pfeifen durfte. Nach einem der Spiele kam ein herzkrankes Kind zu mir, umarmt mich und sagt zu mir ‘Du bist mein größtes Vorbild’.“

Kenth Joite
Kenth Joite beim Spieltag der Deutschen Amputierten-Fußball Bundesliga in Berlin
Kenth Joite beim Spieltag der Deutschen Amputierten-Fußball Bundesliga in Berlin

Wie lange bist Du schon Schiedsrichter und was hat Dich damals bewegt Schiedsrichter zu werden?

Ich bin jetzt seit fast 20 Jahren Schiedsrichter. 18 Jahre sind es insgesamt. 2004 habe ich angefangen. Zur Schiedsrichterei bin ich über meine Familie gekommen. Bei uns haben bzw. spielen alle Fußball. Mein Vater, mein Bruder und meine Schwester. Da ich, aufgrund meines Herzfehlers aber aufs selbst spielen verzichten sollte (das wollten die Ärzte so) bin ich dann gefragt worden, ob ich nicht Schiedsrichter werden möchte. Und so kam ich dann an die Schiedsrichterei.

Beeinträchtigt Dein Herzfehler Dich bei manchen Situationen als Schiedsrichter?

Eigentlich nicht. Ich bin oft fitter als viele Kollegen. Wo der Herzfehler Probleme macht ist zum Beispiel beim Aufstieg. Ich konnte nie so wirklich aufsteigen, da ich durch den Herzfehler die Leistungsprüfung nicht ablegen kann wie „gesunde“ Schirikollegen. Denn die Leistungsprüfung entspricht ja nicht wirklich der Realität auf dem Feld. Im Spiel kann ich mir die Ausdauer quasi einteilen wie ich möchte. Und bei der Leistungsprüfung musst du die Leistung ja sofort abrufen können.

Hast Du das Gefühl, dass die Spieler anders mit Dir umgehen, als mit anderen Schiedsrichtern?

Nein, der Herzfehler ist eigentlich auch nie Thema vor den Spielen. Klar, Mannschaften die mich kennen wissen von meinem Herzfehler, behandeln mich aber nicht anders als andere Schirikollegen.

Was am Schiedsrichterwesen hat Doch so fasziniert, dass Du über all die Jahre immer an der Pfeife geblieben bist?

Also als allererstes der Spaß am Fußball. Fußball ist meine größte Leidenschaft und da ich selbst nicht spielen darf/soll, bin ich zur Schiedsrichterei gekommen. Ein zweiter Punkt ist aber auch der gesundheitliche Aspekt. Als Herzpatient sollst du viel Ausdauersport machen und die Schiedsrichterei ist da genau das richtige. Die Schiedsrichterei ist Ausdauersport pur und genau das ist gut fürs Herz! Und solang wie meine Pumpe noch mitmacht, werde ich auch weiter auf dem Platz stehen.

Gab es in all den Jahren auch Momente, wo Du die Pfeife am liebsten an den Nagel hängen wolltest?

Ja, die gab es tatsächlich! Letztes Jahr hatte ich einen syrischen Verein und man sieht mir durch einen leicht krummen Rücken an, das ich eine Behinderung habe. Und schielen tue ich auch leicht. Und an dem Spieltag, der jetzt etwas mehr als ein Jahr vorüber ist, den werde ich so schnell nicht vergessen. Erstmal wurde sich von der syrischen Mannschaft bei fast jeder meiner Entscheidungen vor mir drohend aufgebaut. Und von draußen kamen dann noch diskriminierende Beleidigungen. Ich solle doch richtig gerade gehen (wegen dem krummen Rücken) und ich soll doch mal geradeaus gucken! Sprüche, die einfach diskriminierend waren und einfach nicht gingen! Nach Abpfiff musste mich dann sogar der Gastverein in die Kabine und auch zum Auto begleiten! Ich habe nach diesem Spiel wirklich extrem mit mir gehadert, ob ich das ganze überhaupt noch machen möchte. Letztendlich hat sich mein Obmann dafür eingesetzt das ich weiter mache. Gott sei Dank kann ich nur sagen!

Hast Du diesen Vorfall gemeldet?

Auf jedenfall! Das ganze ging dann vors Sportgericht und die Mannschaft hat richtig einen vor den Bug bekommen! Die stehen auch weiterhin unter Beobachtung!

Weg von der Negativität, hin zu den schönen Seiten dieses Hobbys. Was war Dein schönstes Erlebnis als Schiedsrichter?

Oh, da gibt es wirklich einige! Aber der aller schönste Moment war eigentlich der, dass ich bei einem Benefizturnier für herzkranke Kinder pfeifen durfte. Nach einem der Spiele kam ein herzkrankes Kind zu mir, umarmt mich und sagt zu mir „Du bist mein größtes Vorbild“.
Auch einer meiner tollsten Erlebnisse war mein erstes Spiel in der Amputierten Fußball Bundesliga. Für mich, der eigentlich nie wirklich eine Möglichkeit zum Aufsteigen hatte, war das natürlich ein sehr aufregender und wertvoller Moment in meiner Schiedsrichter-Karriere.

Bist Du jetzt fester Bestandteil der Schiedsrichter in der Amputierten Fußball Bundesliga?

Ja, seit dieser Saison. Ich war zum Beispiel beim ersten Spieltag in Berlin im Einsatz. Aktuell sind wir ein Team aus 8 festen Schiedsrichtern für die Amputierten Bundesliga.

Wie kann man sich den Ablauf der Saison in der Amputierten Bundesliga vorstellen?

Wir haben verschiedene „Stadtspieltage“. Das heißt wir sind an den jeweiligen Spieltagen am Wochenende an 2 Tagen in ein und dem selben Stadion. Letztes Jahr hatten wir noch Stadtspieltage mit den Blinden zusammen, aber die Amputiertenliga möchte eigene Spieltage, damit sie sich auch weiter an die Internationalen Regeln anpassen können. Diese Saison wird das erste mal ohne Bande gespielt und in der nächsten Saison dann auch auf größeren Feldern (wenn ich richtig informiert bin), denn man möchte an die internationalen Maße anknüpfen.

Gibt es von deiner Seite noch eine Botschaft, die Du in die Community tragen möchtest?

Puh, die Kollegen sollen sich nicht von negativen Erlebnissen unterkriegen lassen. Das positive an unserem Hobby überwiegt und wir sollten es uns von den wenigen Idioten die auf dem Platz rumlaufen nicht kaputt machen lassen! Und an die jungen Schiedsrichter oder die, die es werden wollen: Die Schiedsrichterei ist eines der schönsten Hobbys. Sie bringt einen nicht nur sportlich, sondern auch beruflich weiter. Die Schiedsrichterei hat eigentlich nur Vorteile und ich kann es nur wärmstes empfehlen, einen Kurs zu machen und das ganze einfach auszuprobieren!
Und die wichtigste Botschaft finde ich, das es egal ist wie man aussieht oder ob man wie ich eine Behinderung hat, der Fußball verbindet einfach alle Bereiche und macht ihn deshalb auch so vielfältig!